„Verstehen kann man das Leben nur rückwärts. Leben muss man es vorwärts.“
Wie es Søren Kierkegaard in diesem Zitat treffend formuliert: Gelebt werden kann das Leben nur vorwärts, aber verstanden werden kann es (oft) nur rückwärts.
Abenteuer biografisches Schreiben. Mithilfe unserer Erinnerungen.
Oder wie eins Sigmund Freud es bezeichnete: „Erinnern, wiederholen, durcharbeiten.“
Eine geniale Methode, wenn mein Klient oder meine Klientin bekennend schreibfreudig ist, in einer Schreibgruppe oder in einem Workshop
Doch, was ist biografisches Schreiben überhaupt?
Biografisches Schreiben mittels gezielter Impulse ist ein heilsamer Weg, um unser Leben zu erfassen. Bilanz zu ziehen. Bestimmte Puzzleteile herauszugreifen. Muster zu erkennen.
Literarische Formen wie Chroniken, Lebensläufe und Erinnerungen gehören zu den ältesten Textgattungen der abendländischen Kultur.
Erinnerungen sind nutzbar, um unser Leben zu reflektieren. Aus der Distanz zu strukturieren, den eigenen Lebenssinn greifbar zu machen, Platz für die Zukunft zu schaffen oder deinen Lieben etwas aus deiner Geschichte zu hinterlassen.
Was gewinne ich für mich durchs biografische Schreiben?
Die Rückbesinnung auf schöne Momente hilft dabei, Hoffnung und Mut zu schöpfen. Bereits beim Schreiben werden freudige Momente erlebt.
Sich schreibend daran erinnern, welche Herausforderungen du bereits in deinem Leben gemeistert hast, stärkt zudem das Gefühl der Selbstwirksamkeit.
Dieser Effekt kann übrigens auch bei der Bearbeitung von Alltagsängsten dienlich sein.
Unterm Strich: Biografisches Schreiben hilft, seelische Heilungsprozesse einzuleiten und den Blick aus der Vergangenheit in die Gegenwart und die Zukunft zu lenken.
Schreibend ist es möglich:
- die Verbindung mit dem inneren Kind aufzunehmen
- Dämonen zu entzaubern
- vergrabene Ressourcen wiederzuentdecken
- Entwicklungsprozesse in Gang zu setzen
- bewältigte Herausforderungen zu erkennen
- wertvolle Weggefährten zu würdigen
Von der Aussöhnung mit verpassten Chancen bis zur Entdeckung neuer Möglichkeiten einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung, bietet biografisches Schreiben eine breite Palette an Reflexionsmöglichkeiten.
Durch die Anwendung in (m)einem Coaching oder das Teilen der entstandenen Texte in einer Gruppe von Schreibenden kann diese Wirkung verstärkt werden.
Biografisches Schreiben eröffnet verbindende Gesprächs- und Gefühlsräume, von denen besonders introvertierte Menschen profitieren. (Copyright-Vermerk: GKS® Jutta Michaud, www.schreibzeit-entwickelt.de)
Biografischer Schreibimpuls „Der Dialekt“
„DU bist aber nicht von HIER…?“
Ein Satz, der mich lange zuverlässig begleitete.
Mit 16 Jahren zog ich für meine Ausbildung aus der Thüringer Provinz ins Baden-Württembergische Pforzheim. Schnell habe ich mich in meine neue Umgebung angepasst.
Eins jedoch blieb 18 Jahre lang fernab der Heimat mehr oder weniger offensichtlich: der sprachliche Thüringer Einschlag.
In vielen Situationen hat mich das massiv genervt. Frustriert habe ich mich oft gefragt: „Warum können andere in Lichtgeschwindigkeit ihren Dialekt anpassen und mir gelingt das einfach nicht?“
Rückblickend betrachtet, war es genau dieser „Makel“ der für viele magische Momente in meinem Leben gesorgt hat.
Beispielsweise als ich mit einem abgelaufenen Rezept in einer Pforzheimer Apotheke stand. Nach einem kurzen Gespräch meinte die Apothekerin verschwörerisch: „Wir Thüringer müssen zusammen halten“ und überreicht mir das Medikament.
Oder als ich nach der Spätschicht morgens 4.00 Uhr komplett übermüdet in einem Taxi sitze. Mit dem Fahrer ergibt sich schon nach kurzer Zeit ein geniales Gespräch. Er stammt aus dem Erzgebirge, wie auch meine Großeltern. Vor meiner Haustür angekommen lehnt er mein Geld ab, mit den Worten „Es war mir eine Freude dich zu fahren. Pass gut auf dich auf.“
Diese regionale Verbundenheit war eine der intensivsten Erfahrungen, die ich fernab der Heimat machen durfte.
Beantworte dazu handschriftlich folgenden Satz:
Welcher Dialekt wird in deiner Heimat gesprochen?
Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Fällt dir eine Geschichte dazu sein?
Konntest oder wolltest du ihn dir je abgewöhnen?
An den Stift und los – ich wünsche dir viel Freude dabei!
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Hallo Anja,
mit diesem Beitrag hast du mir Lust gemacht, auch biografisch zu schreiben. Leider ist Chemnitz etwas zu weit weg für den Besuch deines Workshops… Hast du Informationen / Vorlagen um ins biografische Schreiben zu kommen?
Biographie-Arbeit ist ja auch bei Menschen mit Demenz ein wichtiger Punkt: hast du hierfür Ideen, wie Angehörige hier unterstützen/ aktiv werden können?
Viele Grüße
Anette
Liebe Anette,
das freut mich 🙂
Um erstmal in den biografischen Schreibflow zu kommen, finde ich folgende Erzählkarten wunderbar geeignet:
https://www.amazon.de/Lebensspuren-Erzählkarten-Biografiearbeit-Gedächtnistraining-Erzählcafés/dp/B01FOKX38G/ref=sr_1_3?__mk_de_DE=ÅMÅŽÕÑ&crid=175VRX0ST4GT&keywords=erzählkarten&qid=1706269752&sprefix=erzählkarten%2Caps%2C97&sr=8-3
Auch für Menschen mit Demenz sind schöne Erinnerungen wichtig und erfrischend. Hier eignen sich alte Fotos, Ansichtskarten, besondere Gegenstände, Briefe oder Musik ganz besonders, um die betroffene Person geistig und kommunikativ rege zu halten. Wichtig ist dabei jedoch, schmerzliche Lebensthemen zu vermeiden.
Viele Grüße
Anja
Vielen Dank für den Tipp, die Karten werde ich mir mal anschauen.